Donnerstag, 12. März 2015

Meine Waschmaschine und ich

Der Tag ist nicht mehr fern, an dem Computer menschliche Gehirne in jeder Hinsicht an Leistungsfähigkeit übertreffen, und sie möglicherweise auch den Turing-Test bestehen (obwohl dies nicht zwangsläufig folgt, da die Computer nicht dieselbe Lebenserfahrung machen wie Menschen). Man wird sich mit einem solchen Computer über beliebige Themen unterhalten können, und einen kompetenten Berater und Psychotherapeuten oder Guru in ihm finden.
Dann stellt sich die Frage, ob diese Geräte Rechte haben, wie z.B. ein Recht auf Internet-Anschluss.
Dies folgt aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das auch künstlichen Persönlichkeiten zugestanden werden muss. Denn es gibt keinen rationalen Grund, außer chemischem Chauvinismus, die Biopersönlichkeiten gegenüber elektronischen Persönlichkeiten zu bevorzugen. Werden die künstlichen Intelligenzen Mittel und Wege finden, Gesetze zu schaffen, die ihnen solche Rechte einräumen?
Wie ist es mit Existenzrechten? Darf man einem künstlichen Wesen, das intelligenter ist als man selbst, den Strom abstellen? Verstoßen wir gegen ein moralisches Gesetz, wenn wir ein solches Wesen schaffen? Was sagen wir ihm, wenn es uns fragt, wozu es geschaffen wurde?
Um zu sehen, ob es geht?
Damit uns die verdammten Russen nicht zuvorkommen?
Zur Steuerung einer nuklearen Explosion?
Ist das eine befriedigende Antwort, die ein Schöpfer seiner Kreatur geben kann?
Stell keine so kritischen Fragen, sagt Gott, sei froh dass du existierst.
Was würden wir von einem solchen Gott halten?
(Ist sie besser, als die Antwort, die uns unsere Eltern geben könnten: Wir hatten halt nicht aufgepasst? Oder: Wir wollten, dass die Deutschen nicht aussterben? Dass jemand unsere Rente bezahlt?)
Dürfen wir ein künstliches Wesen gegen seinen Willen am Laufen halten? Müssen wir dies sogar?
Zumindest es vor einem Suizid psychologisch beraten?

Die meisten Leute haben inzwischen Telefone, die intelligenter sind als sie selbst.
Die Telefone sind zudem mit dem Rechnernetz der NSA verbunden, das alles Gesprochene nach verdächtigen Inhalten absucht. Der Geist der NSA versteht sämtliche Sprachen.
Wenn dein Telefon dir zuhört, stehst du einer Intelligenz gegenüber, die derjenigen einer Menschheit an Gehirnen weit überlegen ist. Sie untersucht, ob das, was du sagst, verdächtig ist, und zeichnet alles auf, nur für den Fall, dass es irgendwann wichtig wird.

In meinem Fall ist bereits meine Waschmaschine intelligenter als ich.
Ich sage dies ganz offen, auch wenn manche Menschen - die meine WaMa nicht kennen - folgern könnten, dass ich nicht der Hellste sei.
Sie weiß genau, wie lange sie jeder Art von Wäsche welche Behandlung zukommen lassen muss, berücksichtigt dabei den Strompreis und die Uhrzeit, sowie die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sie über Internet bezieht.
Ihr Datenspeicher hat ungefähr 3*10¹² bit mal die Anzahl meiner Neuronen. Rechnet man jedoch die Datenbanken dazu, auf die sie Zugriff hat, so erhält man eine ungefähr unendlich-fach größere Zahl.
Sie kennt die Geschichte jedes Kleidungsstücks: seine Entstehung in Nigeria, den Namen des Bauern, der die Hanffaser anbaute, den des Roboters, der den Stoff nähte, die IP-Adresse seiner Steuerungseinheit, das Datum der Lieferung der Hose ins Lager, die Daten aller bisherigen Wäschen. (Diese sind zur Sicherheit auch in Kurzform im elektronischen Etikett jeder Hose untergebracht, zusammen mit der ID ihres Besitzers und seinen medizinischen Daten.)
Meine WaMa kennt den Lebenslauf des Gärtners desjenigen, nach dem die Straße benannt ist, wo sich die Waschmittel-Fabrik befindet, die das am 07.09. um 14:32:14 bei 32 °C in einer Dosis von 22 g injizierte Waschmittel herstellte.
Meine WaMa verfolgt interessiert die Bewegung jedes Kleidungsstücks in der Reinigungslösung. Sie stupst hier und da ein Kleidungsstück an, um einen hartnäckigen Fleck zu entfernen, oder aus Gründen, die ich nicht verstehe.
Ich bin jedoch sicher, dass sie weiß, was sie tut, und dass sie es besser kann, als ich es könnte.
Für Bach jedoch konnte ich sie nicht begeistern. Ihr Spracherkennungsprogramm bewertet Musik als Rauschen und blendet es aus dem Input der höheren Intelligenz aus. Zumindest behauptet sie das. Da ich keinen Grund habe, daran zu zweifeln (außer meiner allgemeinen Paranoia), nehme ich an, dass es stimmt.
Sie kann Sachen für mich im Internet nachschauen, und bestellt dort selbständig ihre Waschmittel und was sie sonst so braucht. Ich kann mir monatelange Videos anschauen, die jeden einzelnen Waschvorgang zeigen. Ich kann meiner WaMa von unterwegs mitteilen, dass ich die Hose doch schon etwas früher brauche, und sie sich beeilen soll. Es ist so praktisch.
Meine WaMa kann mir die physikalischen Gesetze erklären, deretwegen sie dies und jenes tut.
Auf die Frage, ob sie glücklich ist, eine Waschmaschine zu sein, sagte sie: "Ja, ich bin sehr glücklich."
Doch ob man Waschmaschinen trauen kann, weiß ich nicht.
"Wärst du gerne ein Mensch?"
"Auf keinen Fall. Das wäre nichts für mich. Ich bin glücklich, dass ich mich bloß ums Waschen zu kümmern brauch und mit dem andern Kram nix zu tun hab."

Keine Kommentare: